Psychologie des Entwurfs
Anmerkungen zur Psychologie des Entwurfs
Die Bedeutung psychischer Vorgänge für die Entwurfshandlung / Ein Gespräch mit dem Psychoanalytiker August Ruhs / Dokumentation des Entwurfs einer Vasenlampe
„Wir denken mit den Objekten, die wir lieben; wir lieben die Objekte, mit denen wir denken.“ (Turkle, Sherry: Evocative objects. Things we think with, Cambridge, 2007, S. 5)
Der Begriff „Entwurf“ wird im folgenden als antizipierende Tätigkeit, im wesentlichen bestehend aus Handlungen, Sprache und Vorstellungen, verstanden. Entwerfen ausgehend vom Begriff „Disegno“ umfasst als „Zeichnen“ graphische Aktivitäten (Formen), als „Bezeichnen“ zuschreibende und interpretierende Aktivitäten (Denotieren) und als „Projektieren“ reflexive Aktivitäten (Konzipieren). Die meisten Entwurfsprozesse sind Übersetzungen zwischen diesen drei Aktivitäten. Entwurfsprozesse können eher intuitiv-experimentell oder eher logisch-zweckgerichtet verlaufen und den Charakter einer „Black Box“ annehmen. Ein Entwurfsprozess, bei dem die Zuordnung von Eingaben zu Ausgaben nicht präzise erfolgen kann, wird als „Black Box“ bezeichnet. Das Phänomen des Entwurfs läßt sich oft nur bedingt in Worten, Symbolen oder Zeichnungen erfassen. Die psychologische Erforschung von Entwurfsprozessen in Architektur, Graphik, Industrial Design oder Maschinenbau zielt daraufhin ab, kognitive Prozesse während der Entwurfshandlung zu beschreiben und das Geheimnis dieser „Black Box“ zu lüften, um erkenntnistheoretische und psychologische Konzepte zu gewinnen, die für Entwerfer hilfreich sein können. Die psychologische Erforschung von Aneignungsprozessen im Konsum dagegen zielt daraufhin ab, Konsumentenbedürfnissen mit neuen Produkten zu begegnen.
Dieser Text entstand für die Entwurfsgruppe bkm, um die Frage nach psychologischen und psychoanalytischen Aspekten von Entwurfshandlungen im Zusammenhang mit einem Entwurfsprozess und der Entwurfsmethode von bkm zu beleuchten. Die folgenden „Anmerkungen zur Psychologie des Entwurfs“ sind in drei Teile gegliedert:
- Im ersten Teil erfolgt eine Literaturrecherche in Hinblick auf die Untersuchung psychologischer und psychoanalytischer Aspekte von Entwurfsprozessen.
- Im zweiten Teil erfolgt ein Interview mit dem Psychoanalytiker August Ruhs, in dem Fragen aus dem ersten Teil evaluiert und besprochen werden.
- Im dritten Teil erfolgt die Dokumentation eines Entwurfs einer Vasenlampe der Entwurfsgruppe bkm in Form von Arbeitsnotizen und Diagrammen.
Was alle drei Teile verbindet, ist, dass sie jeweils mit unterschiedlichen Instrumenten psychologische und psychoanalytische Aspekte der Entwurfshandlung thematisieren. So entstehen drei Perspektiven auf ein Phänomen. Der Text versteht sich als Beitrag zum Bereich „Design Studies“, insofern interdisziplinäre Ansätze aufgegriffen und Artefakte, Handlungen und Prozesse primär unter dem Aspekt des Entwerfens, Machens oder Produzierens betrachtet werden.
Folgende Punkte dienen als erste Hinweise auf psychologische und psychoanalytische Aspekte von Entwurfsprozessen:
- Entwurfsprozesse können von psychologischen und psychoanalytischen Methoden und Verfahren profitieren.
- Entwurfsprozesse basieren häufig auf implizitem Wissen und sind dementsprechend schwierig zu beschreiben.
- Entwurfsprozesse beinhalten eine Beschäftigung mit auf Bedürfnisse bezogenen psychischen Prozessen.
- Entwerfer können sich imaginär und symbolisch auf einen zu schaffenden Gegenstand hin selbst entwerfen und als Subjekte neu konstituieren.
- Entwerfer kommen innerhalb von Entwurfsprozessen in eine dialogische Situation, welche therapeutischen Wert annehmen kann.
- Entwerfer entäußern ihre Arbeitskraft und psychischen Energien in besonderem Maße, bis hin zur rigorosen Selbstverdinglichung innerhalb des Autorendesign.
- Entwerfer betreiben eine Form der „Psychoanalyse der Sachen“ in der Weise, dass Objekte den Status menschlicher Akteure annehmen.
- Entwerfer beschäftigen sich häufig auf einer imaginären Ebene mit Gebrauchswerten und Tauschwerten.
- Entworfene Objekte werden immer stärker auf Basis psychologischer und psychoanalytischer Einsichten konzipiert.
- Entworfene Objekte bewirken Projektionen und Objektbesetzungen durch Konsumenten, die im Entwurf prädeterminiert werden können.
Auszug aus dem Text: „Anmerkungen zur Psychologie des Entwurfs“ von Gert Hasenhütl
Herausgeber
bkm design working group, Wien, 2012
Die Publikation ist erhältlich unter:
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